In diesem modernen Land Schweiz – wo jedermann stolz ist auf die Bürgerrechte – haben immer noch nicht alle mündigen Personen die gleichen Rechte und Pflichten! Das ist absolut stossend und muss sich ganz schnell ändern!
Kommentar zum Coming-out Tim Cook in der NZZ von Christiane Hanna Henkel,
30.10. 2014
Der Konzernchef von Apple, Tim Cook, hat am Donnerstag in einem von ihm verfassten Artikel in der Zeitschrift Bloomberg Businessweek erklärt, dass er homosexuell ist. Dieser Schritt mag aus Cooks persönlicher Perspektive nachvollziehbar sein. Aus einer professionellen Perspektive hingegen ist er ein Fehltritt: Es ist erstens ein Missbrauch von Macht und zeugt zweitens von Arroganz.
Cook spricht sich mit seinem Beitrag im weiteren Sinne für Vielfalt und Diversität aus und wendet sich gegen die Diskriminierung von Minderheiten. Das ist ehrenvoll. Die Rechte von Minderheiten werden in der Mehrheit der Länder dieser Welt mit Füssen getreten. Auch steht es einem Unternehmen offen, sich für gesellschaftliche Belange einzusetzen. Apple hat unter Cook Diversität in der Konzernpolitik verankert und trat etwa als Sponsor des Marsches für die Rechte von Homosexuellen in San Francisco im Sommer auf. Aber Cook selbst ist weder ein Bürgerrechtlicher noch ein Politiker, wie es Martin Luther King bzw. Robert F. Kennedy waren – auf beide beruft er sich in seinem Text. Cook ist auch kein Unternehmer, sondern er ist ein Manager, der ein Unternehmen führt, das ihm nicht gehört. Er ist ein herausragender Manager, aber er missbraucht seine Macht, wenn er als Chef von einem der am meisten beachteten Konzerne der Welt seine sexuelle Orientierung zum Thema macht. Das ist nicht Bestandteil seiner Aufgabe.
Cook schreibt zudem, dass er seine Homosexualität als Geschenk Gottes sieht. Was heisst das im Umkehrschluss? Sind Heterosexuelle oder generell Mehrheiten weniger «beschenkt»? Auch sieht er in seiner sexuellen Orientierung einen Grund, stolz zu sein. Das tönt überheblich, schliesslich ist die sexuelle Orientierung so wie etwa Hautfarbe oder Geschlecht nicht ein Verdienst, sondern naturgegeben. Dabei hätte Cook Arroganz nicht nötig. Als Nachfolger des Apple-Mitgründers Steve Jobs hat er gezeigt, dass er Schuhe ausfüllen kann, die andere sich nicht einmal getraut hätten anzuprobieren.
Der Artikel / Kommentar auf der Website der NZZ
Dass Cook schwul ist, war ein offenes Geheimnis. Als Cook CEO von Apple wurde, nachdem Steve Jobs krankheitshalber zurücktrat, gab es in den amerikanischen Wirtschaftsmedien eine hitzige Debatte darüber, ob es für Apple von Bedeutung wäre, wenn der unverheiratete Cook schwul ist. Für die einen war es unwichtig, für andere spielte es eine enorm wichtige Rolle. In den letzten Monaten wurde die Debatte fortgesetzt, die Frage drehte sich vor allem um die Vermutung, dass viele CEO’s im Closet leben. Dabei wurde es schon fast offiziell, dass Cook dazugehört. Er hat jetzt die Tatsache klargestellt. Zu diesem Schritt kann man nur gratulieren!
Ganz anders hat das Christiane Hanna Henkel von der NZZ gesehen. Unter dem Titel «Von Missionen, Macht und dem Missbrauch» berichtete sie darüber, siehe nebenan.
Die Medien spekulieren über die sexuelle Orientierung eines Managers, dieser spricht Klartext. Eine Journalistin nimmt das zum Anlass, um von Machtmissbrauch zu schwafeln. Was für ein Weltbild hat diese Frau? Gehört sie zu den glücklichen Menschen, denen alles nach Plan gelingt – und die nicht begreifen können, dass andere im Leben immer wieder auf Widerstände und unsichtbare Schranken stossen?
Ich bedaure, dass Print/online das Reflexe «Von Missionen, Macht und deren Missbrauch» publiziert worden ist. Hier haben sämtliche internen Kontrollmechanismen versagt. Die Publikation war ein Fehler, genauso wie der Text ein Fehlgriff ist. Die Argumentation, dass Apple-Chef Cook «Machtmissbrauch» begehe, wenn er sich zu seinem Schwulsein bekennt, ist absurd. Es gibt keinen Hinweis darauf, dass als Folge dieses Bekenntnisses sich die Geschäftspraxis von Apple verändern würde. Natürlich ist die primäre Aufgabe eines Managers nicht, sein Privatleben öffentlich zu machen. Gleichwohl ist Cook eine Person des öffentlichen Interesses. Entsprechend ist es nachvollziehbar, dass seine sexuelle Orientierung ein Thema sein kann. Dass er nun zum Schwulsein steht, zeugt von Mut. Die Kritik an diesem Schritt, wie immer sie begründet sein mag, zeugt dagegen von mangelnder Toleranz und einem nach wie vor stigmatisierenden Umgang mit Schwulen und Lesben. Das aber ist definitiv nicht die Haltung einer auch gesellschaftlich liberalen Stimme wie jener der NZZ.
Markus Spillmann, Chefredaktor / Leiter Publizistik NZZ AG